Ein Sommer der Enttäuschungen

Im ersten Halbjahr enttäuschten die Konjunkturnachrichten all jene, die auf einen Aufschwung im zweiten Halbjahr gehofft hatten. Vor dem Hintergrund der harzigen Konjunktur bleibt das Finanzmarktumfeld herausfordernd.

Nicht nur das Wetter hat uns in diesem Sommer enttäuscht. Auch die Wirtschaftsnachrichten waren überwiegend nicht das, was sich die meisten erhofft hatten. Konnten wir zum Jahresbeginn vielerorts vom Aufschwung in der zweiten Jahreshälfte lesen, so müssen wir heute feststellen, dass das mit dem Aufschwung so schnell nichts wird. Europa verbleibt wohl vorläufig noch in der Stagnation, in China hat sich die Binnenkonjunktur erneut verschlechtert und auch in den USA sieht es nach einer deutlichen Verlangsamung des Wachstums aus.

Immerhin gibt es einen Lichtblick in der Weltwirtschaft: Die Schwäche der globalen Güternachfrage scheint tatsächlich ihren Tiefpunkt erreicht zu haben. Darauf deuten zumindest die besseren Wachstumsraten in der Güterproduktion in China und auch die spürbare Zunahme der Dynamik im weltweiten Warenhandel hin. Nach unserer Einschätzung dürfen daher die industriestarken Länder wie China, Deutschland oder die Schweiz in den kommenden Quartalen wieder mit Rückenwind rechnen.

Ansonsten sind die positiven Signale aber Mangelware. In Europa scheint sich zwar die deutsche Konjunktur zu stabilisieren, das Wachstum in Frankreich und Italien verlangsamt sich aber. In der Summe ergibt sich daraus wenig Dynamik für unsere Nachbarn.

Die Zentralbanken sind eher bereit, eine höhere Inflation als eine Rezession zu riskieren.

In China bereitet die zunehmende Verschlechterung des Immobilienmarkts und der Baukonjunktur Anlass zur Sorge. Mittlerweile fallen die Immobilienpreise im ganzen Land und die Investitionen in Neubauten bleiben überaus niedrig. Im Vergleich zu 2019 wird inzwischen um zwei Drittel weniger gebaut. Davon wird auch die Konsumbereitschaft in Mitleidenschaft gezogen, was sich bereits in den Detailhandelszahlen niederschlägt. Das Wachstum der Gesamtwirtschaft hat denn auch im letzten Quartal aufs Jahr gerechnet nicht einmal mehr 3 Prozent betragen.

Ebenso wenig erfreulich waren die Konjunkturnachrichten aus den USA. Dort schwächeln nicht nur die Konsum- und die Baunachfrage, sondern auch die Unternehmen werden skeptischer bezüglich der kommenden Monate. So erwarten die Einkaufsmanager:innen der Industrie- und Dienstleistungsunternehmen aktuell, dass ihre Geschäfte abnehmen werden. Das ist eine Beobachtung, die wir sonst nur kurz vor bzw. in einer Rezession gemacht haben.

Ob es auch in den USA zu einer Rezession kommen wird, ist heute noch unklar. Und es ist wohl auch nicht unvernünftig zu erwarten, dass die Notenbanken nach der langen Sorge um die Inflation bei den mittlerweile tieferen Inflationsraten vermehrt auf den Erhalt des Wachstums und das Vermeiden von Rezessionen achten werden. Somit erscheint eine Zinssenkung per September auch in den USA immer wahrscheinlicher zu werden.

Was heisst dies für die Aktienmärkte? Ein schwächeres Wachstum führt zu einer tieferen Inflation. Wird das Wachstum aber zu schwach, drohen sinkende Unternehmensgewinne und eine Rezession. Wir glauben weiterhin an eine weiche Landung in den USA, aber solche Überlegungen zeigen eindrücklich, warum wir weiterhin zu einer vorsichtigen Gangart bei den Investitionen raten. 

Beat Wittmann

Leiter Investment Office

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