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Erstellt am 14.02.2022

Wie Väter Familie und Beruf vereinbaren – ein Gespräch mit Martin Hofer

Martin Hofer, Chief Information Security Officer bei PostFinance, arbeitet seit Geburt seines ersten Kindes in einem 80-Prozent-Pensum. Im Interview schildert er, wie er als Vater die Vereinbarkeit von Familie und Beruf organisiert und wo er zurücksteckt.

Martin Hofer mit seinen beiden Kindern auf der Eisbahn.

Radikal ist seine Lösung nicht, aber bemerkenswert allemal: Martin Hofer ist Chief Information Security Officer bei PostFinance und hält sich einen Tag pro Woche frei, um seine beiden Kinder im Alter von vier und sechs Jahren zu betreuen. Mit seinem 80-Prozent-Pensum gehört er in der Schweiz nach wie vor zu den Ausnahmen. Gemäss Bundesamt für Statistik arbeiteten 2020 nur knapp 20 Prozent der Männer Teilzeit, bei den Frauen waren es rund 60 Prozent. Für Martin Hofer war mit der Geburt seines ersten Kindes klar, dass er im Teilzeitpensum arbeiten möchte – so, dass er langfristig und zuverlässig einen Teil der Kinderbetreuung übernehmen kann.

Martin, wie habt ihr die Kinderbetreuung aktuell organisiert?

Meine Frau arbeitet 50 Prozent, ich arbeite 80 Prozent. Während zwei Tagen werden die Kids von meiner Frau betreut, jeweils fix am Freitag von mir und zwei Tage sind durch Kita beziehungsweise Kindergarten abgedeckt.

Wieso hast du dich für ein Teilzeitpensum entschieden? Wäre die Vollzeitanstellung nicht die bequemere Lösung gewesen?

Ich hatte den Wunsch, meine Kinder in möglichst vielen Situationen zu erleben, und ich suchte eine Möglichkeit, um bei der gemeinsamen Kinderbetreuung einen Schritt in Richtung Ausgewogenheit zu machen. Mit meinem 80-Prozent-Pensum will ich mich nicht brüsten. Im Verhältnis zum 50-Prozent-Pensum meiner Frau befinden wir uns nach wie vor in einer Schieflage. Jedoch ist es eine Lösung, die es mir ermöglicht, langfristig an einem Tag die Woche im Privaten den Laden zu schmeissen. Ich bin also nicht eine Verlegenheitslösung, die nur in aussergewöhnlichen Situationen einspringt und dann um Hilfe wedeln muss, weil die Kinderschuhe nicht auffindbar sind. Gemäss meiner Erfahrung ist es notwendig, dass man diese Voreinstellung als Paar von vornherein definiert. Denn im Nachhinein wechselt kaum jemand in einen etwas sperrigeren Setup.

Du arbeitest seit sechs Jahren in einem reduzierten Arbeitspensum. Wie gut gelingt es dir, Beruf und Familie zu vereinbaren?

Es gibt Tage, an denen es mit besser gelingt, und Tage, an denen ich meinen Ansprüchen nicht ganz gerecht werde; Tage, an denen ich zugunsten des Arbeitgebers investiere, und Tage, an denen es anders läuft. Dieses Verhältnis muss man von Zeit zu Zeit reflektieren und auf Hinweise von beiden Seiten reagieren, sei es von Seite des Arbeitgebers oder von Seite der Partnerin. Da führt kein Weg daran vorbei. Wichtig ist mir, dass die Gesamtrechnung aufgeht und dass ich unter dem Strich das Gefühl habe, dass es gut funktioniert, meine Familie und meinen Beruf zu vereinbaren.

Einen Tag pro Woche hältst du dir fix für deine Kinder frei. Wie sehen deine anderen Arbeitstage aus?

Arbeitseinsätze zu garstigen Zeiten sind durchaus häufig. So kommt es oft vor, dass ich mich abends, wenn die Kinder im Bett sind und zu Hause wieder Ruhe eingekehrt ist, noch einmal an die Arbeit setze. Oder morgens früh beginne. Die Wochenenden aber halte ich wenn möglich frei. Eine Buchführung, wann ich wie viel arbeite, führe ich nicht. Dazu macht mir mein Job einfach auch zu viel Spass.

Gab es schon Situationen, aufgrund derer du ein Meeting verlassen hast, weil du dich unvorhergesehenerweise um deine Kinder kümmern musstest?

Zum Glück nicht. Denn das finde ich persönlich nur in absoluten Notlagen opportun. Jedoch kann es passieren, dass ich vorgängig einen Termin schieben muss, weil dieser zum Beispiel mit der Abholung eines Kindes kollidiert. In solchen Fällen bemühe ich mich um das Verständnis meiner Kolleginnen und Kollegen, das sehr regelmässig auch vorhanden ist – sei dies von Mitarbeitenden, die selbst Kinder betreuen, aber auch von Personen, die keine Kinder haben. Überhaupt schätze ich die Kultur bei PostFinance: Noch nie wurde ich wegen meines Teilzeitpensums schief angesehen oder kritisiert.

Du bist im mittleren Kader von PostFinance. Inwiefern sind die Anforderungen anders, als wenn du auf einer anderen Stufe 80 Prozent arbeiten würdest, um Beruf und Familie vereinbaren zu können?

Die Herausforderungen sind auf allen Stufen dieselben. Bei einem 80-Prozent-Pensum steht man erfahrungsgemäss vor der Aufgabe, 100 Prozent Arbeit so zu komprimieren, dass sie in das Teilzeitpensum passt – etwa, indem man Prioritäten setzt. Damit muss man umgehen können, ganz gleich, ob man in einer Führungsfunktion tätig ist oder nicht.

Du hast per Geburt eures ersten Kindes ein Teilzeitpensum angestrebt. Wie hat dein damaliger Vorgesetzter auf deinen Wunsch reagiert?

Er hat mir vollen Rückhalt gegeben. Das hat mir sehr geholfen. Wir haben damals nicht länger als zehn Minuten über meinen Wunsch diskutiert und die Sache war klar.

Wie verhältst du dich als Vorgesetzter, wenn jemand mit einem ähnlichen Wunsch auf dich zukommt?

Im Grundsatz versuche ich, die Reaktion meines damaligen Vorgesetzten zu kopieren und gemeinsam mit dem Team Lösungen zu finden, damit solche Modelle realisiert werden können. Dazu braucht es immer auch gewisse Bemühungen und Geduld von der Person, die reduzieren möchte. So kann das Modell vielleicht nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Aber meiner Erfahrung nach lassen sich immer Lösungen finden.

Eine dieser Lösungen ist Job- bzw. Topsharing, in dem du selbst auch schon gearbeitet hast. Wie kam es dazu?

Mir bot sich die Gelegenheit, meinen Job während rund eines Jahres mit einem Kollegen zu teilen. Für mich war es eine spannende Zeit mit den bekannten Herausforderungen, die das Job- oder Topsharing mit sich bringen. Die grösste davon war es, dass einen das Umfeld auch tatsächlich als Einheit erlebt. Als mein damaliger Topsharing-Partner PostFinance verliess, haben wir ein wenig an den Aufgaben geschoben und ich bin wieder beim Ausgangsmodell gelandet, in dem ich die volle Arbeitssubstanz in 80 Prozent unterbringe. Ich persönlich empfinde dieses Modell des Komprimierens fast einfacher, da man die Abstimmungen und Prioritäten selbst definieren kann.

Vollzeit oder Teilzeit für Väter: Diskutierst du das Thema auch ab und zu mit anderen Vätern und Müttern, und was sind die Diskussionspunkte?

Diese Fragestellung ist in privaten Diskussionen ein Evergreen und ein Punkt, bei dem man schon noch stark den tradierten Rollenbildern begegnet. Wenn ich mit Männern über das Thema rede, geht es oft um den Aspekt, ob denn nicht ein Arbeitspensum von 90 Prozent aus finanzieller Sicht und im Hinblick auf Spätabend- und Frühmorgen-Einsätze adäquater wäre. Meine Haltung dazu ist klar: Wenn ich meine Situation in einem globalen Rahmen vergleiche und sehe, wie gut es mir geht, sind diese 10 Prozent keine Diskussion wert.

Du sagtest, dass man sich als Vater mit einem 80-Prozent-Pensum nicht brüsten könne. Oder vielleicht doch, wenn man bedenkt, dass nur gerade knapp 20 Prozent der Männer in der Schweiz Teilzeit arbeiten und davon wohl nicht alle ihre gewonnene Zeit für die Kinderbetreuung nutzen?

Dass sich der Beitrag von Vätern nicht stärker in diese Richtung bewegt, finde ich persönlich bedauerlich. Aber zumindest in meinem Umfeld habe ich viele Kollegen, die dieses oder ähnliche Modelle fahren. Aber eine superrasante Entwicklung ist es tatsächlich nicht.

Wie könnte PostFinance als Arbeitgeberin diese Entwicklung noch stärker beeinflussen?

Ich habe den Eindruck, dass PostFinance alle Voreinstellungen getroffen hat, um ein günstiges Umfeld für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu schaffen. So kenne ich persönlich niemanden, der den Wunsch hatte, Justierungen vorzunehmen und dies nicht hätte realisieren können. Die Voreinstellungen stimmen. Aber auf der anderen Seite müssen die Partnerschaften den Wunsch, Pensen zu reduzieren und entsprechende Arbeitsmodelle in Anspruch zu nehmen, auch selbst anliefern. Was meiner Meinung nach wichtig wäre, ist die Förderung des Bewusstseins, dass Arbeitsmodelle wie Top- und Jobsharing kein alleiniges Frauenthema sind. Hier wäre mein Wunsch, dass künftig vermehrt auch Männerduos oder gemischte Tandems auftreten und präsentiert werden. 

Eine optimale Verteilung der Geschlechter ist dir ein Anliegen und hat dir auch schon einen Spitznamen beschert.

Ja, vor einigen Jahren wurde ich vorübergehend auch «Martina» genannt. Damals, an einem Kadertag, war ich so frei, die Wahrnehmung in Abrede zu stellen, dass wir bei PostFinance die Frauenförderung total gut machen. Mit Blick in die Runde – es waren abgesehen von der HR-Chefin nur Männer im Raum – habe ich mir den Hinweis erlaubt, dass die Verteilung auf Kaderstufe wohl doch nicht so optimal sei. Vielleicht war es noch etwas zu früh. Aber die Diskussion ist wieder aufgekommen. Aktuell laufen Bestrebungen, den Frauenanteil im Kader zu erhöhen. Im Topmanagement ist man da übrigens in der Balance sogar schon angekommen.

Im Dreieck Beruf, Familie und Freizeit – was bleibt bei dir auf der Strecke?

Die Freizeit. Da stecke ich zurück, aber das ist OK, weil ich diesbezüglich ein sehr genügsames Profil habe. Gerade auf Plattformen wie LinkedIn begegnet man immer wieder Superhelden, die behaupten, dass sie spielend alles unter einen Hut bringen. Ich jedoch bin überzeugt, dass man über gewisse Phasen irgendwo zurückstecken muss – natürlich auch in der Hoffnung, dass die vernachlässigte Säule vermehrt zum Tragen kommt, wenn die Kinder grösser und selbstständiger werden. Das spüre ich jetzt schon.

Wenn du berufstätigen Vätern und Müttern einen Tipp geben könntest, welcher wäre das?

Dass es sich nicht lohnt, wegen kleinen Abweichungen ein schlechtes Gewissen zu haben. Es geht nichts kaputt, wenn man einmal an einem Arbeitstag zu Hause den Geschirrspüler ausräumt, und es geht auch nichts kaputt, wenn man an seinem «Kindertag» einmal den Hörer in die Hand nimmt für eine geschäftliche Besprechung.

About

Martin Hofer

Martin Hofer ist seit 2012 Chief Information Security Officer bei PostFinance.

Wir sind uns unserer Vorbildfunktion bewusst und etablieren uns als verantwortungsvolles Unternehmen. Dabei achten wir nicht nur auf die Umwelt, sondern übernehmen als Arbeitgeberin auch gesellschaftliche Verantwortung. Neben der ab 2040 angestrebten Klimaneutralität von den direkten und indirekten Emissionen sind deshalb die Diversität und Vereinbarkeit von Beruf und Familie zentral.

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