Erfolgsserien

Die positive Marktentwicklung der letzten Monate hat in unseren Portfolios trotz schwieriger Rahmenbedingungen zu deutlichen Wertsteigerungen geführt. Bei den sogenannten Growth-Aktien scheint das Potenzial aber allmählich ausgeschöpft zu sein. Wir empfehlen entsprechend eine Umschichtung hin zu Value-Aktien, die einen etwas defensiveren Charakter aufweisen und weniger stark auf Zinsveränderungen bzw. die nun wohl länger hoch bleibenden Zinsen reagieren.

Growth-Aktien sind besonders von den ausbleibenden Fortschritten bei der Inflationsbekämpfung betroffen.

Sportliche Erfolge haben die einzigartige Fähigkeit, uns zu faszinieren, besonders wenn sie nach langen Jahren der Enttäuschung oder in überwältigender Dominanz erreicht werden. Nichts verdeutlicht dies derzeit wohl besser als der jüngste Triumph von Bayer Leverkusen in der deutschen Fussballmeisterschaft. Nachdem der Verein über 20 Jahre in Anspielung an eine verpasste Meisterschaft als «Vizekusen» bekannt war, feierte er am vergangenen Wochenende ebenso überraschend wie überlegen den Meistertitel.

Für eine positive Gemütslage sorgte in den letzten Monaten aber nicht nur dieser Erfolg eines Kleinstadtvereins, sondern auch die bemerkenswerte Performance an den Finanzmärkten, die zu deutlichen Wertsteigerungen unserer Portfolios beigetragen hat. Die positive Marktentwicklung ist zwar historisch weniger überraschend als der erwähnte Meisterschaftsgewinn, dennoch ist sie angesichts der schwierigen weltwirtschaftlichen Lage und der zahlreichen geopolitischen Konflikte nicht selbstverständlich und besonders erfreulich.

Auffällig ist dabei insbesondere die starke Wertsteigerung an den amerikanischen Aktienmärkten. Vor allem die Aktien von Unternehmen, die ein überdurchschnittliches Gewinnwachstum im Vergleich zur Gesamtwirtschaft aufweisen, haben spürbar zugelegt. Diese sogenannten Growth-Aktien sind seit dem Start der Aktienmarktrallye im November 2023 um über 25 Prozent gestiegen. Bekanntestes Beispiel ist dabei wohl der amerikanische Chip-Hersteller Nvidia, dessen Titel in der gleichen Zeitspanne um 115 Prozent zulegten. Die Dominanz der Growth-Titel an den Aktienmärkten ähnelt der von Bayer Leverkusen in der laufenden Saison.

Wie im Sport stellt sich aber auch an den Finanzmärkten die Frage, wie lange Erfolgsserien anhalten. So haben unsere Zweifel bezüglich Growth-Aktien in den letzten Wochen und Monaten zugenommen. Einerseits erreichten die Bewertungen dieser Titel inzwischen sehr hohe Niveaus. Bei vielen Unternehmen sind hohe Erwartungen an zukünftige Gewinnsteigerungen bereits in den Kursen eingepreist, wie das häufig verwendete Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) zeigt. Beim aktuellen Aktien-Überflieger Nvidia liegt dieser Wert bei über 70.

Andererseits haben sich zuletzt unsere Bedenken bezüglich der hartnäckigen US-Inflation bestätigt. Die Kerninflation droht sich dort bei knapp 4 Prozent festzusetzen, also beim doppelten der Zielvorstellungen der amerikanischen Zentralbank. Vor diesem Hintergrund rücken deutliche Leitzinssenkungen immer weiter in die Ferne. Die Märkte haben in diesem Jahr mit einem spürbaren Anstieg der langfristigen Zinsen reagiert. Bleiben weitere Fortschritte bei der Inflationsbekämpfung aus, droht gar ein weiterer Anstieg. Darunter dürften vor allem die Aktientitel leiden, die von einem hohen Gewinnwachstum ausgehen, da durch einen Zinsanstieg zukünftige Gewinne stärker abgezinst werden.

Um dem ausgeschöpften Potenzial der Growth-Aktien zu begegnen, nehmen wir die Gewinne bei den amerikanischen Aktien mit hohem Anteil dieser Titel mit und reduzieren deren Anteil am Portfolio. Dafür verstärken wir unsere Positionen in weltweiten Value-Aktien. Diese haben einen defensiveren Charakter, sind tiefer bewertet und reagieren aufgrund ihrer  verhältnismässig bereits hohen Gewinne –und ihres tieferen erwarteten Gewinnwachstums – weniger stark auf die nun wohl doch etwas länger hoch bleibenden Zinsen in den USA.

Über Philipp Merkt

Philipp Merkt arbeitet seit 2015 bei PostFinance – aktuell als Chief Investment Officer und Leiter Asset Management Solutions. Der gebürtige Solothurner hat an der Universität Fribourg Informatik und Wirtschaft studiert und hat einen MBA mit Schwerpunkt Finance der Universität Bern sowie der Simon Business School der University of Rochester NY.

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