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Erstellt am 05.04.2023

Hansruedi Köng: «2008 herrschte Panik, heute allenfalls Besorgnis»

In der Finanzkrise 2008 hat Hansruedi Köng unter Stress einige Kilos verloren. Heute ist der CEO von PostFinance ausgeglichen. Obwohl die Bankenwelt bewegte Zeiten erlebt.

Hansruedi Köng, wir erleben momentan turbulente Zeiten in der Finanzwelt. Die Silicon Valley Bank ist kollabiert und die Credit Suisse wird von der UBS übernommen. Schlägt dein Puls in diesen Tagen höher?

Mein Puls schlägt etwas höher, aber nicht dramatisch.

Hansruedi Köng ist seit 2003 bei der PostFinance tätig und seit 2012 CEO von PostFinance.

Du wirkst entspannt. Warum?

Der Kollaps der Silicon Valley Bank ist auf unternehmensspezifische Fehleinschätzungen zurückzuführen. Es ist offensichtlich, dass die Bank bei der Steuerung ihrer Bilanz zu hohe Risiken eingegangen ist und von Start-Up-Unternehmen und Grossinvestoren abhängig war. Als die Kund:innen ihre Einlagen abgezogen haben, geriet die Silicon Valley Bank unter Druck. Die Situation bei PostFinance ist dagegen sehr entspannt. Wir steuern unser Risikoprofil ganz anders, unsere Kundengelder sind breit diversifiziert.

Von den Turbulenzen ist auch der Schweizer Finanzplatz betroffen. Mit der Credit Suisse geht ein Traditionsunternehmen unter.

Die Ereignisse in den USA haben Verunsicherung auf den Märkten ausgelöst. Diese Stimmungslage traf auf eine angeschlagene Credit Suisse, die in der letzten Zeit Verluste schrieb und Mängel bezüglich Transparenz und Qualität der Vermögenswerte aufwies. Als grosse Investoren das Vertrauen entzogen, ist das Fass überlaufen.

Als CEO von PostFinance führst du eine systemrelevante Bank. Wie ist dein Arbeitsalltag von den aktuellen Turbulenzen geprägt?

Die Situation beansprucht viel Zeit. Ich muss Freiräume in meiner Agenda schaffen, weil immer etwas Ungeplantes auf mich zukommen kann. Die Politik, Medien, Mitarbeiter:innen, der Verwaltungsrat und weitere Stakeholder haben ein grosses Informationsbedürfnis und stellen viele Fragen. Ich spreche mit meinen Mitarbeiter:innen, unseren Grosskund:innen, höre zu und sammle Information.

Wie verschaffst du dir den Überblick?

Ich halte die Ohren offen und lese die Berichterstattung in den Medien frühmorgens und abends genau. Ich schaue aber nicht ständig auf einen Newsticker auf dem Handy. Wenn etwas Ausserordentliches geschieht, erhalte ich sofort die entsprechenden Zurufe.

Du bist seit 21 Jahren bei PostFinance, davon zwölf Jahre als CEO. Zur Zeit der Finanzkrise 2008 warst du Finanzchef von PostFinance.

Damals drohte die Finanzwelt unterzugehen, und sie ist teilweise untergegangen. Ich erinnere mich daran, wie wir im Handelsraum versammelt waren. Wir blickten auf die Bildschirme. CNN und Bloomberg meldeten quasi im Viertelstundentakt, wie bedeutende Finanzinstitute gerettet wurden oder untergingen. Als Finanzchef trug ich die Verantwortung für die Finanzanlagen von PostFinance. Wir schauten unsere Positionen permanent an und prüften, welche Papiere wir bei gefährdeten Emittenten hatten. Mein Puls war sehr hoch. Und ich habe in der Zeit einige Kilos verloren. Im Gegensatz dazu ist die heutige Situation für mich keine Abmagerungskur.

Warum hat dein Appetit nicht gelitten, was ist heute anders als 2008?

Wir denken im Risiko-Management in Szenarien. Risiken werden simuliert, man macht Stresstests. Wir kennen die Faktoren besser, die zu einer Instabilität führen können. Die Bankenwelt ist besser gerüstet.

Und trotzdem griff der Bundesrat im Fall der Credit Suisse mit Notrecht ein und hat zumindest einen Teil der «too big to fail»-Regeln an einem Wochenende über Bord geworfen.

Das hat uns wohl alle erstaunt. Aber ich weiss, dass sich die Involvierten diesen Entscheid nicht leicht gemacht haben.

Der Schweizer Finanzplatz hat 15 Jahre daran gearbeitet, Notfallszenarien aufzustellen und umzusetzen. Waren die Arbeiten nutzlos?

Ganz sicher nicht. Der Bundesrat und die zuständigen Behörden mussten eine Güterabwägung treffen und haben sich dafür entschieden, die Notfallszenarien nicht konsequent umzusetzen. Was die Umsetzung des Notfallplanes ausgelöst hätte, ist schwierig zu beurteilen. Die Arbeiten haben auf jeden Fall etwas gebracht.

Was konkret?

Auch wenn eine Liquiditätskrise die Credit Suisse an den Abgrund gebracht hat, muss man festhalten, dass die Bank nicht überschuldet ist. Vor 15 Jahren hätte der Staat mit Kapital einschreiten müssen und die Steuerzahler:innen hätten wohl für den Schaden einstehen müssen. In der aktuellen Situation wird dies wahrscheinlich nicht der Fall sein. Aber es gibt nie eine Garantie, dass eine Bank nicht zugrunde gehen kann. Das liegt in der Natur des Bankings. Würde eine Bank auf ein Null-Risiko hinsteuern, könnte sie ihre Funktion nicht mehr wahrnehmen.

Was bedeuten die Turbulenzen für PostFinance?

Mehr Chancen als Risiken. Die Kund:innen von UBS und Credit Suisse werden ihre Anlagen diversifizieren wollen. In dieser Hinsicht ist PostFinance eine gute Option.

Im Zug der Finanzkrise 2008 ist PostFinance stark gewachsen. Erwartest du jetzt eine ähnliche Entwicklung?

Nein, wir können schon jetzt abschätzen, dass die Auswirkungen geringer sein werden. 2008 herrschte Panik, heute gibt es allenfalls Besorgnis. Dennoch stellen wir Kundenzuflüsse fest. Auch wenn unsere Bilanz nicht grösser wird, bedeutet dies angesichts der gestrafften Geldpolitik, dass wir Marktanteile gewinnen.

Warum ist PostFinance für Kund:innen attraktiv, die einen sicheren Hafen suchen?

Wir haben eine hohe Bekanntheit und geniessen Vertrauen. Auch die Geschichte spielt eine Rolle. Wir haben stets verantwortungsvoll gewirtschaftet und haben nie Risiko-Experimente gemacht. Aber Sicherheit allein reicht nicht. Wir setzen uns für eine hohe Dienstleistungsqualität ein. Wir investieren viel Geld in die Weiterentwicklung unserer Systeme, Prozesse und Produkte. Unsere Kund:innen sollen Freude daran haben, mit PostFinance Geschäfte zu machen.

Welche Risiken ergeben sich aus der aktuellen Situation für den Schweizer Finanzplatz?

Wir wissen nicht, wie das Pendel der Regulierung ausschlagen wird. Die Einsicht, dass eine Bank auch im heutigen Regime zugrunde gehen kann, kann dazu führen, dass die Regulierung der Banken weiter verschärft wird.

Das Parlament tagt nach Ostern zu einer Sondersession und befasst sich mit den Ereignissen rund um die Credit Suisse.

Es ist herausfordernd, mit Augenmass zu regulieren. Ich befürworte eine wirksame und griffige Regulierung und Überwachung. Ein Konzept, das für eine internationale Grossbank geeignet ist, kann man aber nicht auf die Inlandbanken herunterbrechen.

Verschiedene Politiker:innen und Medien fordern, dass man jetzt ein Gegengewicht zur UBS bilden und PostFinance die Möglichkeit geben soll, eigene Kredite zu vergeben. Ist das eine Chance für PostFinance?

Von mir wird man diesbezüglich keinen Ruf in Richtung Politik hören. Der Bundesrat hatte die Aufhebung des Kreditverbots angestossen. Das Verdikt des Parlaments lautete im letzten Jahr glasklar Nein. Und wenn die Politik angesichts der Situation von UBS und Credit Suisse zum Schluss käme, dass PostFinance doch Kredite vergeben soll, muss der Anstoss von der Politik kommen. Unsere Haltung ist bekannt. Das Kreditverbot ist ein erheblicher Wettbewerbsnachteil.

Du hast angekündigt, per Ende Februar 2024 als CEO von PostFinance zurückzutreten. Wirst du es vermissen, in solch turbulenten Zeiten an der Spitze von PostFinance zu stehen?

Ja, ich werde das vermissen. Ich wünsche mir zwar keine Turbulenzen und Krisen, es sind aber genau diese Zeiten, in denen ein Job wie meiner am spannendsten ist.

Sergio Ermotti kommt zurück in die Bankenwelt und an die Spitze der UBS. Ist es für dich denkbar, dass du angesichts der aktuellen Turbulenzen deinen Rücktritt verschiebst?

Dafür sehe ich bei PostFinance keine Veranlassung. Ich gehe aber nicht in Rente und will weiterhin unternehmerisch tätig sein, aber nicht mehr in der gleichen Funktion. Bei meinem Austritt werde ich zwölf Jahre CEO gewesen sein und auf eine super Zeit bei PostFinance zurückblicken.

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