Fällt im Alter das Erwerbseinkommen weg, sorgt die Altersvorsorge dafür, dass wir unser Leben finanziell unabhängig und ohne existenzielle Not weiterführen können. Am 1. Januar 1948 trat die AHV in Kraft und die ersten Renten wurden ausbezahlt. Heute geht der Anspruch an die Altersvorsorge über die reine Existenzsicherung hinaus. Ältere Menschen sollen ihre Zeit nach der Erwerbstätigkeit finanziell unabhängig gestalten und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen können. Das Schweizer Vorsorgesystem wurde deshalb im Laufe der Jahre ausgebaut und basiert heute auf drei Säulen: Die 1. Säule als staatliche Altersvorsorge, die 2. Säule als berufliche Vorsorge und die 3. Säule, die individuelle Vorsorge.
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AHV-Reform: Die wichtigsten Änderungen im Überblick
Dass Frauen ab 2024 genauso wie Männer bis zum 65. Lebensjahr arbeiten müssen, wurde vom Schweizer Stimmvolk am 25. September 2022 gutgeheissen. Die AHV-Reform betrifft allerdings nicht nur Frauen, sondern auch all jene, die sich vorzeitig pensionieren lassen oder im Alter weiterarbeiten möchten. Wer sich also für das Alter absichern will, sollte heute schon die Folgen der Reform kennen. Denn eine frühzeitige Planung kann sich regelrecht auszahlen. Wir zeigen Ihnen die wichtigsten Änderungen der Reform AHV 21 in Kürze auf.

Wie und warum kam es zur AHV-Reform?
Infolge der steigenden Lebenserwartung und des wachsenden Bedürfnisses nach einem flexiblen Ruhestand geriet das Schweizer Vorsorgesystem im Allgemeinen und speziell die AHV in den vergangenen Jahren unter Druck. Eine höhere Lebenserwartung bedeutet, dass die Altersrenten länger an die Rentnerinnen und Rentner ausbezahlt werden müssen. Darüber hinaus erreichen die Babyboomer (Jahrgänge 1955-1970) gerade das Rentenalter. Aufgrund der demografischen Altersentwicklung und des gleichzeitigen Geburtenrückgangs finanzieren heute nur noch drei Erwerbstätige die Rente eines Bezügers, während es vor 70 Jahren noch sechs waren. Das finanzielle Gleichgewicht der umlagefinanzierten AHV gerät damit ins Wanken. Folglich steigen die Ausgaben schneller als die Einnahmen. Mit der AHV-Reform wird dieser Entwicklung politisch entgegengewirkt. Damit sind die Finanzierung der AHV und die Garantie der Rentenbeiträge bis ins Jahr 2030 gesichert.
Die AHV-Reform umfasst zwei miteinander verknüpfte Initiativen:
- Stabilisierung der AHV (AHV 21)
- Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer
Ergebnisse der Abstimmung
Am 25. September 2022 wurde die AHV-Reform vom Schweizer Stimmvolk verabschiedet. Nach jahrzehntelangem Stillstand wurde ein erster grosser Schritt zur Neustrukturierung des Rentensystems eingeleitet. Sowohl die Änderung des AHV-Gesetzes als auch der Bundesbeschluss über die Zusatzfinanzierung der AHV durch eine Mehrwertsteuererhöhung wurden angenommen. Für ersteres stimmten 50,55%, für letzteres eine Mehrheit von 55,07%.
Was ändert sich mit der AHV-Reform?
Zusammenfassend ergeben sich daraus die folgenden Änderungen:
- Das Referenzalter (ehem. Rentenalter) von Frauen und Männern wird auf 65 Jahre vereinheitlicht
- Der Altersrücktritt wird flexibilisiert
- Die Mehrwertsteuer wird um 0,4% erhöht
Von der Anhebung der Mehrwertsteuer wird die gesamte Bevölkerung betroffen sein, zumal die Preise für Waren und Dienstleistungen aufgrund der MwSt-Erhöhung entsprechend steigen werden. Interessant zu betrachten sind jedoch die ersten beiden Punkte – die Anhebung des Referenzalters und die Flexibilisierung des Renteneintritts.
Wann wird die AHV-Reform umgesetzt?
Die AHV-Reform tritt am 1. Januar 2024 in Kraft. Bis die Änderungen greifen, bleibt das bisherige Recht bestehen. Die stufenweise Anhebung des ordentlichen Rentenalters für Frauen erfolgt voraussichtlich ein Jahr später, am 1. Januar 2025. Zudem treten gleichzeitig die Ausgleichsmassnahmen für Frauen der Übergangsgeneration in Kraft. Auch die Verordnung über die Erhöhung der Mehrwertsteuersätze für die Zusatzfinanzierung der AHV tritt am 1. Januar 2024 in Kraft; der Normalsatz beträgt dann 8,1% (bislang 7,7%).
Auswirkungen der AHV-Reform auf die Versicherten
Die Verabschiedung der Vorlage ist das eine, die Umsetzung und deren Effekte auf die Versicherten das andere. Nachfolgend eine Übersicht über die wichtigsten Auswirkungen für Schweizer Versicherte und was es künftig bei der Pensionierung zu berücksichtigen gilt.
Welche Jahrgänge betrifft die AHV-Reform?
Das ordentliche Pensionierungsalter für Frauen wird stufenweise um drei Monate pro Jahr von 64 auf 65 Jahre erhöht. Betroffen sind Frauen ab Jahrgang 1961 und jünger. 1961 geborene Frauen müssen drei Monate länger arbeiten, 1962 geborene sechs Monate, 1963 geborene neun Monate und ab 1964 geborene Frauen bis zum Alter von 65 Jahren. Folglich gilt ab 2028 das gleiche Rentenalter von 65 Jahren für Frauen und Männer.
Übersicht der betroffenen Jahrgänge
Im Jahr | Referenzalter der Frauen | Betrifft die Frauen mit Jahrgang |
---|---|---|
Im Jahr 2024 |
Referenzalter der Frauen 64 Jahre (keine Erhöhung) |
Betrifft die Frauen mit Jahrgang 1960 |
Im Jahr 2025 |
Referenzalter der Frauen 64 Jahre + 3 Monate |
Betrifft die Frauen mit Jahrgang 1961 |
Im Jahr 2026 |
Referenzalter der Frauen 64 Jahre + 6 Monate |
Betrifft die Frauen mit Jahrgang 1962 |
Im Jahr 2027 |
Referenzalter der Frauen 64 Jahre + 9 Monate |
Betrifft die Frauen mit Jahrgang 1963 |
Im Jahr 2028 |
Referenzalter der Frauen 65 Jahre |
Betrifft die Frauen mit Jahrgang 1964 |
(Quelle: BSV )
Was muss ich künftig bei der Planung meiner Pensionierung beachten?
Von den Auswirkungen der AHV-Reform sind Frauen und Männer betroffen. Denn die AHV-Reform bringt auch Änderungen beim Rentenbezug und bei der Erwerbstätigkeit nach 65 Jahren mit sich.
Übergangsgeneration
Die Frauen der Jahrgänge 1961 und 1969, also jene, die derzeit kurz vor dem Ruhestand stehen, gehören zur Übergangsgeneration. Sie werden für das höhere Rentenalter finanziell entschädigt und haben Anrecht auf Ausgleichsleistungen. Dafür stehen ihnen zwei Optionen zur Verfügung.
Option 1: Bezug ab Referenzalter mit lebenslangem Zuschlag
Entscheiden sich Frauen, bis zum Erreichen des neuen Referenzalters zu arbeiten, profitieren sie von einem lebenslangen Zuschlag zur AHV-Rente. Dabei erhalten Frauen mit tieferem Einkommen höhere Zuschläge. Der maximale Monatszuschlag zur Rente beträgt:
- CHF 160.– bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von weniger als CHF 57’360.–
- CHF 100.– für durchschnittliche Jahreseinkommen zwischen CHF 57’361.– und CHF 71’700.–
- CHF 50.– für durchschnittliche Jahreseinkommen ab CHF 71'701.–
Gut zu wissen
Nur Frauen der Jahrgänge 1964 und 1965 erhalten den vollen Zuschlag. Bis zum Jahrgang 1970 sinkt der Zuschuss auf null.
Individueller Rentenzuschlag für Frauen der Übergangsgeneration
Geburtsjahr | Referenzalter | AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) |
---|---|---|
Geburtsjahr 1961 |
Referenzalter 64 + 3 Monate |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 25% |
Geburtsjahr 1962 |
Referenzalter 64 + 6 Monate |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 50% |
Geburtsjahr 1963 |
Referenzalter 64 + 9 Monate |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 75% |
Geburtsjahr 1964 |
Referenzalter 65 Jahre |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 100% |
Geburtsjahr 1965 |
Referenzalter 65 Jahre |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 100% |
Geburtsjahr 1966 |
Referenzalter 65 Jahre |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 81% |
Geburtsjahr 1967 |
Referenzalter 65 Jahre |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 63% |
Geburtsjahr 1968 |
Referenzalter 65 Jahre |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 44% |
Geburtsjahr 1969 |
Referenzalter 65 Jahre |
AHV-Rentenzuschlag / Monat (in % des Grundzuschlags) 25% |
(Quelle: EAK)
Option 2: Vorbezug der Altersrente mit tieferen Kürzungssätzen
Alternativ können sich die Frauen der Übergangsgeneration auch gegen das höhere Rentenalter entscheiden. In diesem Fall treten sie mit 64 Jahren (oder früher) in den Ruhestand. Dies hat zur Folge, dass ihre Renten gekürzt werden. Frauen mit geringerem Einkommen erfahren geringere Kürzungen als jene mit höherem Einkommen.
Gut zu wissen
Für Frauen der Jahrgänge 1961 und 1962 ist der Vorbezug der AHV-Rente je nach Dauer des Vorbezugs bereits 2023 oder 2024 möglich, also vor Inkrafttreten der Reform. Vom tieferen Kürzungssatz für die Übergangsgeneration profitieren sie also erst ab 2025. So lange gelten die aktuellen Sätze von 6,8% (einjähriger Vorbezug) und 13,6% (zweijähriger Vorbezug).
Kürzungssätze für Frauen der Übergangsgeneration
Alter bei Vorbezug | Durchschnittliches Jahreseinkommen ≤ CHF 57’360.– | Durchschnittliches Jahreseinkommen CHF 57’361.– - CHF 71’700.– | Durchschnittliches Jahreseinkommen ≥ CHF 71’701.– |
---|---|---|---|
Alter bei Vorbezug 64 Jahre |
Durchschnittliches Jahreseinkommen ≤ CHF 57’360.– 0% |
Durchschnittliches Jahreseinkommen CHF 57’361.– - CHF 71’700.– 2,5% |
Durchschnittliches Jahreseinkommen ≥ CHF 71’701.– 3,5% |
Alter bei Vorbezug 63 Jahre |
Durchschnittliches Jahreseinkommen ≤ CHF 57’360.– 2% |
Durchschnittliches Jahreseinkommen CHF 57’361.– - CHF 71’700.– 4,5% |
Durchschnittliches Jahreseinkommen ≥ CHF 71’701.– 6,5% |
Alter bei Vorbezug 62 Jahre |
Durchschnittliches Jahreseinkommen ≤ CHF 57’360.– 3% |
Durchschnittliches Jahreseinkommen CHF 57’361.– - CHF 71’700.– 6,5% |
Durchschnittliches Jahreseinkommen ≥ CHF 71’701.– 10,5% |
(Quelle: EAK)
Flexibler Rentenbezug
Neu können Männer und Frauen ihre AHV-Rente zwischen 63 und 70 Jahren flexibel beziehen. Zudem besteht die Möglichkeit, die Rente schrittweise zu beziehen, d. h. 20 bis 80%, und den Rest zurückzustellen. Zusätzlich kann der Ruhestand nun auch in monatlichen statt in jährlichen Schritten erfolgen.
Weiterarbeiten ab 65 Jahren
Wer über das Referenzalter hinaus arbeitet und mehr als CHF 1’400.– pro Monat verdient, zahlt weiterhin in die AHV ein. Derzeit führen diese Beiträge aber nicht zu einer höheren Rente. Mit dem Inkrafttreten der Reform AHV 21 wird sich dies teilweise ändern. Denn künftig ist es möglich, freiwillig auf den Freibetrag zu verzichten und die einbezahlten AHV-Beiträge bei der Rentenberechnung anrechnen zu lassen. Damit wird es finanziell attraktiver, ab 65 Jahren weiterzuarbeiten. Frühere Beitragslücken können geschlossen oder die persönliche AHV-Rente kann erhöht werden. Ist die Maximalrente jedoch erreicht, kann diese nicht mehr angehoben werden.
Schweizer Vorsorgesystem – quo vadis?
Mit der AHV 21-Reform ist zwar ein wichtiger Schritt zur Restrukturierung der Altersvorsorge getan – allerdings ist die Finanzierung nur bis 2030 gesichert. Danach besteht die Gefahr, dass die AHV erneut in ein Defizit gerät. Auch die aktuelle Diskussion um die berufliche Vorsorge zeigt, dass weitere Reformen des Schweizer Vorsorgesystems unumgänglich sind. Denn aktuell wird auch für die zweite Säule über eine «BVG 21»-Reform debattiert. Somit bleibt die Entwicklung des Schweizer Vorsorgesystems spannend. Eines ist sicher: Die Reformen der 1. und 2. Säule verbessern die staatliche und berufliche Vorsorge, aber wer auf Nummer sicher gehen will, nimmt seine Altersvorsorge mit der dritten Säule selbst in die Hand.