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Erstellt am 08.06.2021

Mit 40 im Ruhestand? So funktioniert die FIRE-Bewegung

Mit 40 Jahren dem Arbeitsleben Adieu sagen und das Leben in vollen Zügen geniessen – frei sein und nur noch das tun, was man wirklich im Leben tun möchte. Das tönt utopisch, muss es aber nicht sein. Finanzielle Unabhängigkeit erreichen und sich schon mit 40 pensionieren lassen, ist das Ziel immer mehr Millennials, auf Deutsch: die Jahrtausender-Generation. Sie folgen den Prinzipien der FIRE-Bewegung (Financial Independence, Retire Early). Was sich dahinter versteckt und wie FIRE funktioniert, erklären wir hier.

Haben Sie schon mal etwas von FIRE gehört? Die FIRE-Bewegung ist ein Trend aus den USA, der vermehrt in Europa und in der Schweiz zu hören ist. Das Ziel: Schon weit vor dem üblichen Pensionsalter möchten die FIRE-Anhänger finanzielle Unabhängigkeit erreichen und so schon mit 40 aufhören zu arbeiten. Daher kommt auch der Name «Financial Independence, Retire Early» – zu Deutsch: finanzielle Unabhängigkeit, früher Ruhestand.

Die meisten Anhänger der Bewegung sind Millennials, die ihr Leben ganz anders gestalten wollen als ihre Eltern und Grosseltern und nicht bis nach 60 arbeiten möchten. Dafür müssen sie aber nicht nur diszipliniert sparen, sondern auch diszipliniert anlegen.

Wie realistisch ist FIRE?

Wer FIRE erreichen möchte, hat in der Regel einen steinigen Weg vor sich: Denn um mit rund 40 Jahren bereits in Ruhestand gehen zu können, müssen FIRE-Anhänger ihre monatliche Sparrate maximieren und das gesparte Geld so investieren, dass sie nach ihrem Ruhestand von ihrem passiven Einkommen leben können. Dazu hat die FIRE-Gemeinschaft ihre ganz eigenen mathematischen Modelle und Regeln. Eine davon ist die «Vier-Prozent-Regel»: Das eigene Vermögen soll so angespart und angelegt werden, dass ein Verzehr von 4% jährlich bis ans Lebensende reichen soll. Dazu muss das eigene Vermögen natürlich maximiert werden. Das passiert auf zwei Wegen:

  • Minimierung der monatlichen Ausgaben und/oder Erhöhung der Einnahmen
  • konsequentes und oft aggressives Anlegen des ganzen Vermögens

Der erste Punkt ist eigentlich selbsterklärend: FIRE-Anhänger leben finanziell extrem sparsam. Deshalb werden sie oft auch «Frugalisten» genannt (von «frugal» = sparsam). Gespart wird überall – bei Ferien und Vergnügen, aber auch im Alltag: eingekauft wird so günstig wie möglich, auf Coiffeur- und Restaurantbesuche verzichtet, Hobbys, die Geld kosten, abgeschafft und so weiter. So sollen rund 40% - 50% der monatlichen Einnahmen gespart oder besser, angelegt, werden können. Um ihre Ziele erreichen zu können, maximieren viele FIRE-Anhänger zudem ihre Einnahmen, indem sie Nebenjobs annehmen. 

Der zweite Punkt hat es in sich. Denn mit Sparen alleine ist FIRE nicht zu erreichen. Das angesparte Geld muss konsequent in mindestens 60% Aktien oder Aktien-ETF angelegt werden. Konsequentes Anlegen deshalb, weil so vom Zinseszinseffekt profitiert werden kann. Wie der funktioniert erklären wir im Artikel «Zinseszins und Zinseszinseffekt einfach erklärt». Der Fokus auf Aktien muss sein, um überhaupt die Chance zu haben, genügend Rendite erwirtschaften zu können. 

FIRE berechnen leicht gemacht

Aber wie viel Kapital brauche ich überhaupt, um mich mit 40 zur Ruhe zu setzen? Kommen wir zurück zur 4%-Regel. Die FIRE-Anhänger machen es sich hier meist einfach: Sie definieren ihre nötigen jährlichen Lebenshaltungskosten und rechnen diese mal 25 (um der 4%-Regel gerecht zu werden) – und machen dies bewusst eher grob und meist ohne Berücksichtigung von Marktschwankungen, Reserven etc.

Die einfache Variante

Wer mit 40 in den Ruhestand gehen möchte und dann rund 50 Jahre mit rund CHF 80’000.– im Jahr leben kann, muss 2 Millionen Franken ansparen.

Wie lange das Geld dann effektiv reichen wird, hängt natürlich auch davon ab, wie viel Rendite das 2-Millionen-Kapital auch nach dem Ruhestand jährlich abwirft. Schliesslich bleibt der Teil des Vermögens, der über die jährlichen 4% hinausgeht, weiterhin investiert. 

Anders gesagt

Wer mit 30 rund CHF 100’000.– angespart hat, ab 40 in den Ruhestand gehen möchte und danach von CHF 60’000.– im Jahr leben wird, muss monatlich CHF 11’819.– mit einer Rendite von 6% anlegen können.

Mit 40 genug Geld für den Ruhestand auf der Seite zu haben, kann ganz schön schwierig werden, wenn man nicht bereits mit Anfang 20 damit beginnt, ein Leben als Frugalist zu führen und seine ganze Energie darauf fokussiert, FIRE zu erreichen.

Kommt dazu: Die «4-Prozent-Regel», auf der die Kalkulation basiert, stammt aus der klassischen Vorsorge. Dabei wird davon ausgegangen, dass man nach der regulären Pensionierung mit 60+ noch rund 30 Jahre vom eigenen Vermögen zu leben hat. FIRE-Anhänger möchten dies aber rund 50 Jahre lang tun.

Viele Anhänger der Bewegung stellen also ihre eigenen Kalkulationen an und rechnen entweder mit 3.5% oder 3%. Oder sie vertrauen darauf, dass sie dank ihren jahrelang geübten Frugalisten-Skills im Notfall auch mit tieferen Lebenshaltungskosten als geplant über die Runden kommen würden - oder ganz einfach wieder einen der während der Erwerbstätigkeit ausgeführten Jobs aufnehmen können. 

Wie erstrebenswert ist FIRE wirklich?

Ein sparsames, bescheidenes Leben zu führen, das nicht nur zu mehr Geld im Portfolio und auf dem Konto führt, sondern ganz nebenbei auch noch Ressourcen schont – das lernen Frugalisten auf ihrem Weg zu FIRE. Wer sich schon mit 40 in den Ruhestand begeben möchte, lernt zudem auch den Umgang mit den eigenen Finanzen: Wie erstelle ich Finanzpläne und Budgets? Wie funktionieren die Aktienmärkte? Wie lege ich mein Geld an, um langfristig maximalen Profit zu erzielen und nur das Risiko einzugehen, das ich auch eingehen kann?

FIRE ist also eine gute Lebensschule in Sachen Sparsamkeit und Finanzwissen. Aber FIRE ist definitiv nichts für jede und jeden. Ein jahrzehntelanges Leben als Frugalist, bei dem man jeden Rappen zweimal umdreht und mehrere Jobs gleichzeitig ausführt, ist nicht für alle erstrebenswert. Jetzt massiv zu verzichten, um mit 40 vielleicht in den Ruhestand zu gehen (und allenfalls auch danach sehr sparsam leben zu müssen), ist für viele eine zu grosse Entbehrung.

«Und was mache ich dann mit 40?», ist auch eine Frage, die sich viele stellen. Mit 40 im Ruhestand zu sein, während die Freunde weiterarbeiten, kann ganz schön einsam sein – und auch die eigene Arbeit ist schliesslich nicht immer nur notwendiges Übel, sondern für viele auch Sinn und Quelle von Freude.

Dazu kommen aber auch Überlegung rein finanzieller Natur: Möchte ich mein Leben lang wirklich gleich viel Geld ausgeben und sparsam leben? Was passiert, wenn sich meine Lebensumstände verändern – Kinder kommen, gesundheitliche Probleme auftauchen...? Wie entwickeln sich die Märkte? Wie sieht es mit der Inflation aus? Habe ich meine AHV-Beiträge, die ich auch als Nichterwerbstätige und Nichterwerbstätiger bezahlen muss, in meine Berechnung eingerechnet? Und: Wie sichere ich die Risiken Tod und Invalidität ab?

Ein Frugalisten-Leben muss also gut geplant und überlegt sein – oder Sie sehen FIRE als persönliche Challenge an, ohne verbissen daran zu arbeiten, effektiv mit 40 in den Ruhestand zu treten – und behalten sich im Notfall die Flexiblität, einfach etwas kürzer zu treten oder doch etwas länger zu arbeiten. Schliesslich gibt es auch ganz individuelle FIRE-Modelle, etwa für Leute, die nur ihren Hauptjob aufgeben möchten und sich auch nach dem Ruhestand noch einem Nebenjob widmen möchten, oder die auch mit einem Ruhestand mit 50 oder 55 zufrieden sind und einfach finanziell etwas unabhängiger sein möchten. 

Ruhestand, dann, wann ich es will

Nicht jede und jeder wird sich einen Ruhestand mit 40 erarbeiten können - oder wollen. Für manche Menschen ist es schlichtweg nicht möglich, jeden Monat über 50% ihres Einkommens zu sparen. Zum Beispiel, weil sie ohnehin nur knapp mit ihrem Gehalt über die Runden kommen.

So ist es kein Wunder, dass viele Mitglieder der amerikanischen FIRE-Bewegung junge Menschen ohne Kinder sind, die in grossen Tech-Unternehmen arbeiten und hohe Löhne verdienen - und gleichzeitig oft auch von Benefits wie kostenloser Verpflegung, gratis Sport-Abos, Unternehmens-Handys und Ähnlichem profitieren.

Andere sind nicht bereit, jetzt auf Glück und Vergnügen zu verzichten und ihren Lebensstil massiv einzuschränken, um in 20 Jahren nicht mehr arbeiten zu müssen. Und wieder andere wollen das eigentlich auch gar nicht.

Das Gute an FIRE ist aber, dass es auf jeden Fall dazu motiviert, sich mit der eigenen finanziellen Situation, Sparzielen, Anlagen und persönlichen Lebenszielen auseinanderzusetzen und sich viel Finanzwissen anzueignen - ganz egal ob man dann mit 40 oder mit 65 in Rente geht. 

Fühlen Sie sich inspiriert? Konkrete Tipps, wie Sie mehr aus Ihrer Vorsorge machen können, erhalten Sie auch im Artikel «Wie Sie mehr aus Ihrer Vorsorge machen».

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