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Erstellt am 01.03.2021

«Man muss das Unangenehme aussprechen, genauso, wie es ist»

Wir stellen Frauen vor, die bei PostFinance in Führungspositionen tätig sind. Den Anfang macht Barbara Marti, die seit Anfang März den Bereich Payment Solutions IT Services verantwortet.

Barbara Marti arbeitet seit 32 Jahren bei PostFinance in der IT und bekleidet seit 28 Jahren Führungspositionen. Seit Anfang März 2021 ist sie für den Bereich Payment Solutions IT Services verantwortlich – und damit für alle IT-Belange, die das Kartengeld und den nationalen und internationalen Zahlungsverkehr betreffen. Im Interview beantwortet sie Fragen zu ihrem beruflichen Werdegang und zur Führung in einem Bereich, der Mitarbeitenden mit Freude an analytischem Denken spannende Möglichkeiten bietet. Und zwar Frauen und Männern.

Wer wird in der IT glücklich? Oder anders gesagt: Wem empfehlen Sie die IT als Beruf?

Klischeemässig werden Berufe in der IT mit Technik gleichgesetzt. Dem ist aber nicht so. In vielen Jobs in der IT stehen die Zusammenarbeit und die Kommunikation mit Menschen weit mehr im Vordergrund als die Maschinen und die Technik. Innerhalb des Berufsfelds ICT gibt es eine grosse Palette an Berufen. Und in diesem breiten Feld findet sich jede und jeder wieder, die oder der eine Grundfreude am Analysieren und eine Grundneigung zum logischen Denken mitbringt. Wer über diese Stärken verfügt, sollte sich die Jobs in der ICT genau anschauen.

Wie sind Sie zur IT und zu Ihrer ersten Führungsposition gekommen?

Nach meinem Physikstudium habe ich als Quereinsteigerin in der IT bei PostFinance begonnen. Da es damals im Bereich der Softwareentwicklung keine offizielle Ausbildung gab, durchlief ich einen Postkonzern-internen Crashkurs, wie er zu jenem Zeitpunkt von vielen grossen Unternehmen angeboten wurde. Anschliessend habe ich andere Quereinsteiger zu Programmierern ausgebildet. Nach drei Jahren selber programmieren und Daten modellieren wurde ich mit der Führung eines Ausbildungsteams betraut und erhielt so meine erste Führungsfunktion.

Warum fiel der Entscheid auf das Physikstudium?

Ich habe gerne gerechnet, ich habe gerne Mathematik gehabt, ich hatte Freude am Mathematisch-Logischen, und somit war auch die Richtung Typus C im Gymnasium klar. Bei der Wahl des Studiums wägte ich zwischen Mathematik und Physik ab und entschied mich für die etwas angewandtere Disziplin. Die Studien- und die Berufswahl waren somit eine logische Folge dessen, was ich in der Schule gerne gemacht habe.

Was ist Ihnen als Führungsperson wichtig?

Dass ich mich und meine Wirkung auf andere immer wieder hinterfrage und dass ich authentisch bin. Dazu gehört es auch, die Dinge beim Namen zu nennen und unangenehme Situationen nicht zu beschönigen. Man muss das Unangenehme aussprechen, genauso, wie es ist. Dies musste ich lernen. Nur so ist man glaubwürdig, und nur so zeigt man seinem Gegenüber, dass man es ernst nimmt. 

Was mussten Sie sonst noch lernen in Ihren Anfängen als Führungskraft?

Ich war jemand, der gerne alles selbst erledigt. An die Situation, dass andere etwas in meinem Namen machen und ich dafür die Verantwortung trage, musste ich mich zuerst gewöhnen. Ich habe gemerkt, dass ich dieses Gefühl mag.

Gibt es typisch weibliche Kompetenzen?

Es ist massiv vereinfacht, die Typen in einem Berufsfeld auf Mann und Frau zu reduzieren. Massgebend ist die Persönlichkeit, von der das Geschlecht nur ein Teil ist. Aber natürlich gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau, vor allem in ihren Neigungen. Ich versuche stets, die Mitarbeitenden ihren Neigungen entsprechend einzusetzen. Ob Mann oder Frau: Wichtig ist, dass man das, was man macht, gerne tut. Denn mit der Freude an der Arbeit kommen auch die Fähigkeiten. Aus diesem Grund bin ich klar gegen Quotenregelungen. Es gibt nun mal Bereiche, zu denen sich Männer beziehungsweise Frauen stärker hingezogen fühlen. Ich finde es falsch, den Anteil auf Biegen und Brechen auszugleichen.  

Was raten Sie Frauen, die eine Führungsposition anstreben?

Mein Rat richtet sich gleichermassen an Frauen und an Männer: Wenn man bei sich selbst einen Führungsanspruch erkennt – und das spürt man in der Regel schon früh in der Kindheit oder in der Jugend zum Beispiel beim Sport oder bei einer Vereinstätigkeit – empfehle ich jedem Menschen, in einer Führungsposition Verantwortung zu übernehmen. Bei Frauen empfinde ich es als besonders wichtig, dass sie nicht versuchen, einen «besseren» Mann abzugeben, sondern dass sie einfach Frau bleiben. Das reicht vom Verhalten über das Auftreten bis zur Kleidung. Ich persönlich habe es zum Beispiel nie verstanden, dass Frauen in Führungspositionen Anzüge tragen und sich als Mann verkleiden.

Wie haben Sie gemerkt, dass Sie eine Führungsverantwortung übernehmen möchten?

Schon während des Gymnasiums und des Studiums habe ich gearbeitet und erhielt relativ schnell Verantwortung. Zudem war ich schon vor meinem Berufsleben in mehreren Vereinen im Vorstand. Offenbar habe ich bereits früh einen Willen zum Mitgestalten in mir getragen. Mir selbst ist dies aber erst viel später aufgefallen als meinem damaligen Umfeld und meinen früheren Chefs.

 

Sie sind Führungskraft in einem männerdominierten Umfeld. Wie erleben Sie das?

Ich habe schon immer in einer Männerdomäne gearbeitet und dies nie als Problem empfunden. Vielleicht auch deshalb, weil ich das Thema Mann-Frau nie selbst zum Thema gemacht habe. Dies war schon in meinem Elternhaus so: Wir waren zwei Buben und zwei Mädchen und haben nie einen Unterschied gemerkt. Die Welt ist uns allen in gleichem Masse offen gestanden, und es gab nichts, das wir nicht hätten anstreben sollen. Übrigens ist die IT nicht in allen Berufssegmenten männerdominiert: Bei weniger technikorientierten IT-Berufen geht die Durchmischung in Richtung 50:50.

Und wie gehen Sie damit um, wenn Sie auf Akzeptanzprobleme stossen – einzig aus dem Grund, weil Sie eine Frau sind?

In der IT haben wir mit Fachkräften aus der ganzen Welt und mit den verschiedensten Kulturen zu tun. Da gilt es, aufmerksam zu sein und zu merken, wenn sich Schwierigkeiten ergeben – seien sie geschlechter- oder hierarchiebezogen oder was auch immer. Ich reagiere darauf, indem ich hingehe und kläre – also sehr pragmatisch.

Was können Vorgesetzte aus Ihrer Sicht dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen gefördert werden?

Allem voran muss der Vorgesetzte ansprechen, dass sich Muttersein und eine Führungsposition kombinieren lassen – sei dies in Form von Teilzeit-Führungsjobs oder der Möglichkeit, seine Führungsfunktion für eine gewisse Zeit auf Eis zu legen und sie dann wieder aufzunehmen. Und auf der anderen Seite ist es wichtig, dass Frauen signalisieren, dass sie eine Führungsfunktion besetzen wollen und zeigen, dass sie dies in aller Konsequenz möchten. Als Vorgesetzte liegt es dann oft an mir, ihnen noch den letzten Anstoss zu geben, um sich auf eine Führungsposition zu bewerben.

Wie gehen Sie mit Rückschlägen in der täglichen Arbeit um?

Ich mache mir bewusst, ob etwas einfach nur Pech war oder ob und was ich etwas hätte besser machen können. Jedoch ohne mich zu lange am Geschehenen aufzuhalten. Dies verschwendet nur unnötig Energie. Stattdessen konzentriere ich mich auf das, was kommt. Dies handhabe ich auch so, wenn ich zum Beispiel mit einer Überzeugung nicht durchkomme. Dann muss ich mich hinterfragen: War ich vorschnell? War es falsch? Habe ich die Leute überfahren mit meiner Idee? Oder ist es einfach nicht reif oder legitim? Wirken zu viele Kräfte dagegen? Oder ist es richtig, aber im Moment falsch? Zusammengefasst: Ich analysiere, ordne ein und gehe weiter.

Ist Ihre Art, mit Dingen umzugehen, angeboren oder gelernt?

Sehr vieles ist gelernt. Dass ich zum Beispiel früher in grossen Runden kaum kommuniziert habe und eher schüchtern war, glaubt mir heute kaum mehr jemand. Man kann vieles lernen und insbesondere auch an Dingen, die einen Überwindung gekostet haben, Freude haben. Was ich jedoch einfach mitbekommen habe – ob in die Wiege gelegt oder von den Eltern mitgegeben, sei dahingestellt – sind das Grundvertrauen und die Zuversicht, dass es gut kommt. Dies ist ein grosses Geschenk und eine meiner Stärken.

Noch eine Frage zum IT-Nachwuchs: Bei den technischen IT-Berufen ist der Anteil Männer nach wie vor bedeutend grösser. Müsste hier nicht mehr unternommen werden, um die Neigungen der Mädchen etwas mehr in die technische Richtung zu steuern?

Wenn man eingreifen will, müsste man dies in der Unterstufe tun. Wobei ich mir nicht sicher bin, ob diese Aufgabe in den Bildungsinstitutionen richtig angesiedelt ist. Wenn ich auf meinen Weg zurückschaue, passierte die Prägung im Elternhaus: Mein Vater und mein Bruder sind Elektroingenieure, und auch mich hat es in dieses Segment gezogen. Der wichtigste Punkt scheint mir eine Erziehung zu sein, die betont, dass es kein Nachteil ist, eine Frau oder ein Mann zu sein.

About

Barbara Marti ist Leiterin Payment Solutions IT Services bei PostFinance.

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