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Erstellt am 09.08.2021

Corporate Responsibility: Finanzierte Emissionen einheitlich berechnen

Finanzierte Emissionen sind ein grosser Hebel für Finanzinstitute, um ihren Treibhausgasfussabdruck zu reduzieren. Doch ihre Berechnung stellt die Banken vor Herausforderungen. Dank der Initiative PCAF etabliert sich ein neuer Standard, der eine einheitliche Ermittlung und Berichterstattung von finanzierten Emissionen erlaubt. Wir reden mit Henrik Ohlsen, der für die DACHLi-Region einen PCAF-Lernraum organisiert.

Als eines der grössten Finanzinstitute der Schweiz nimmt PostFinance ihre soziale, ökonomische und ökologische Verantwortung wahr – mit einem fairen Verhalten gegenüber ihrer Kundschaft, ihren Mitarbeitenden und der Gesellschaft. Ein bedeutender Teil dieser Corporate-Responsibility-Strategie ist das ganzheitliche Nachhaltigkeitsmanagement, das fest in der Strategie des Unternehmens verankert ist: Es zielt unter anderem darauf ab, den Treibhausgasfussabdruck von PostFinance transparenter zu machen und systematisch zu reduzieren. Eine besondere Herausforderung dabei ist die Messung und Offenlegung der finanzierten Emissionen (siehe Box).

Welche Emissionskategorien gibt es?

Unternehmen, die ihre Treibhausgasemissionen vollständig erfassen, müssen gemäss Greenhouse Gas Protocol drei verschiedene Emissionskategorien (Scopes) beleuchten:

  • Scope 1 umfasst alle Emissionen, die durch Verbrennung in eigenen Anlagen/Geräten verursacht werden (zum Bespiel durch Firmenfahrzeuge). 
  • Scope 2 umfasst die mit eingekaufter Energie verursachten Emissionen (Elektrizität, Fernwärme usw.).
  • Scope 3 umfasst sämtliche Emissionen, die durch erworbene Vorleistungen und Dienstleistungen Dritter verursacht werden. In diese dritte Kategorie fallen auch die finanzierten Emissionen. Darunter versteht man jene Emissionen, die von Unternehmen über Investitionen auf dem weltweiten Kapitalmarkt finanziert werden. In der Finanzindustrie spielen die finanzierten Emissionen eine – gerade auch im Vergleich zu Scope 1 und 2 – besonders grosse Rolle.

Emissionen einheitlich ermitteln

Mit dem Beitritt zur Initiative PCAF im April 2021 will PostFinance ihren Beitrag leisten, dass sich in der DACHLi-Region  ein gemeinsamer Standard etabliert, mit dem sich die Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) und die Treibhausgasintensität von verschiedenen Anlageklassen einheitlich ermitteln und offenlegen lassen. Im Interview erklärt Henrik Ohlsen, Geschäftsführer des Vereins für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten (VfU), warum ein standardisierter Berechnungsansatz so wichtig ist. Er koordiniert über den VfU die Zusammenarbeit mit PCAF (Partnership for Carbon Accounting Financials) für Deutschland, Österreich, die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein.

Herr Ohlsen, warum brauchen die Banken Standards zur Messung und Offenlegung finanzierter Emissionen?

Während es mit dem Greenhouse Gas Protocol schon seit vielen Jahren einen Standard für Nicht-Finanzdienstleistungsunternehmen gibt, fehlte ein solches Regelwerk speziell für Finanzdienstleister und deren finanzierte Emissionen. Da Finanzdienstleister durch ihre Finanzierungs- und Versicherungsaktivitäten indirekt an den Emissionen von finanzierten Anlagegütern beteiligt sind, benötigen sie eine Grundlage, auf der sie ihren Anteil an den Emissionen aus dem nachgelagerten Teil ihrer Wertschöpfungskette bestimmen können. Damit auch dies in einer einheitlichen, international vergleichbaren Weise passieren kann, braucht es einen Standard für die Berechnung und Offenlegung finanzierter Emissionen. Dabei ist die Berechnung der THG-Emissionen im Portfolio vielfach der erste Schritt für weitere Massnahmen wie Szenarioanalysen, zeitbezogene Klimazielsetzungen oder Stresstests. Mit dem Global GHG Accounting and Reporting Standard hat die weltweite Initiative PCAF einen solchen Standard für die Finanzindustrie geschaffen.

Wozu dient dieser den Banken ganz konkret?

Der Global GHG Accounting und Reporting Standard versetzt die Finanzinstitute in die Lage, die mit Krediten und Investitionen verbundenen Treibhausgasemissionen zu einem festen Zeitpunkt, in Übereinstimmung mit den Finanzbuchhaltungsperioden, jährlich zu messen und offenzulegen. Dabei werden die finanzierten Emissionen aus Investitionen grundsätzlich so berechnet, dass der Zuordnungsanteil (relativer Anteil des Finanzinstituts am Anlageobjekt) mit den Emissionen des jeweiligen Anlageobjekts multipliziert wird. Somit wird sichergestellt, dass die direkten und indirekten Emissionen eines Anlageobjektes entsprechend des jeweiligen Finanzierungsanteils dem Finanzinstitut zugeordnet werden. Warum dies relevant ist, wird schnell klar, wenn man sich vergegenwärtigt, dass die Menge der so ermittelten absoluten Scope-3-Emissionen nach Berechnungen der Non-Profit-Organisation Der Link öffnet sich in einem neuen Fenster Carbon disclosure project (CDP) im Durchschnitt 700 Mal höher ist als der klassische THG-Fussabdruck aus Scope 1 und 2 (siehe Infobox).

Welches sind die grössten Herausforderungen bei der Anwendung des Standards?

Eine der grössten Herausforderungen hängt mit der Erfassung der Emissionsdaten der Anlageobjekte zusammen. Wie geht man zum Beispiel damit um, wenn es sich um eine Investition in ein KMU handelt, das keine eigenen Emissionsdaten erhebt? Oder aber, wenn Daten bestehen, an deren Zuverlässigkeit zu zweifeln ist? Eine Antwort auf diese Problematik liefert die Emissionsfaktorendatenbank von PCAF. Jedes Finanzinstitut, das sich verpflichtet, nach der PCAF-Methode zu berichten, erhält Zugang dazu. Sie zeigt zwar nicht die unmittelbaren Treibhausgasemissionen eines Anlageobjekts oder Kreditnehmers, wohl aber Emissionsfaktoren, die sowohl in Verbindung mit der Kenntnis von physikalischen Grössen wie Energieverbrauch in kWh oder Tonnen produzierter Stahl als auch auf Basis von ökonomischen Sektordaten eine Approximation ermöglichen. Besser wäre natürlich, wenn jedes KMU über seine tatsächlichen Emissionen berichten würde. Um die Datenqualität einheitlich zu bewerten, unterscheidet PCAF daher fünf Datenqualitätsstufen, die von Finanzinstituten beim Offenlegen der Emissionen – gewichtet nach dem ausstehenden Betrag – für ihr erfasstes Portfolio anzugeben sind.

Warum ist es für Finanzinstitute von Bedeutung, dass sich so rasch als möglich Standards zur Messung von finanzierten Emissionen etablieren?

Analysen zeigen, dass sich die Daten zu THG-Emissionen, die sich von Datenanbietern beziehen lassen, stark unterscheiden. Diesem Mangel an Reliabilität von Daten lässt sich nur begegnen, wenn es genaue Vorgaben gibt, wie Unternehmen, in diesem Fall Finanzunternehmen, ihre Emissionen zu berechnen haben. Nur dann können auf dieser Grundlage weitere Massnahmen und Entscheidungen getroffen werden, die im Sinne der Erreichung des 2 °C- bzw. 1,5 °C  Zieles des Pariser Klimaabkommens sind.

PostFinance ist eines von weltweit 142 an PCAF teilnehmenden Finanzinstituten. Wie können die Teilnehmer von ihrer Mitwirkung an dieser Initiative profitieren?

Es gibt in der Managementliteratur ja das alte Zitat: «What gets measured, gets managed.» Für sich selbst können Finanzinstitute damit erreichen, dass sie eine solide, gut verstandene und messbare, vergleichbare Zahlengrundlage haben, mit der sie Entscheidungen für weitere Massnahmen informiert treffen können. Beispielsweise kann die Emissionsintensität ein mögliches (aber nicht alleiniges) Kriterium bei der Titelselektion im Anlagegeschäft oder bei der Kreditvergabe sein. Informationen über finanzierte Emissionen können aber auch für Stakeholder wie Kundinnen und Kunden ein wichtiger Hinweis sein, anhand dessen sie die für sie wichtigen Finanzdienstleister erkennen. Zudem profitieren Finanzdienstleister durch die Teilnahme vom Austausch von Best Practices, der Verbesserung verfügbarer Daten, der Weiterentwicklung der Methoden oder regional-spezifischer Analysen. Um Fortschritte bei der Begrenzung des Klimawandels zu erreichen, ist Zusammenarbeit der Schlüssel. Und so ist es auch in diesem Sinn erfreulich, dass PostFinance zu den ersten Finanzdienstleistern in der DACHLi-Region gehört, die sich der PCAF-Initiative angeschlossen haben.

About

Der Verein für Umweltmanagement und Nachhaltigkeit in Finanzinstituten (VfU) dient Sustainable Finance Professionals als Plattform zum Austausch und zur Lösungsentwicklung bei Nachhaltigkeitsthemen des Finanzgeschäfts und bietet praktische Implementierungshilfe und Lösungen. «Das Thema Messung finanzierter Emissionen verfolgen wir schon lange interessiert mit», sagt Geschäftsführer Henrik Ohlsen. «Als Herausgeber eines kostenlosen Treibhausgasbilanzierungstools für den Corporate Carbon Footprint, das VfU Kennzahlen Tool, das im Finanzsektor als Standard gilt, ist Treibhausgasmessung Teil unseres Kompetenzprofils.» Die Zusammenarbeit mit PCAF für die DACHLi-Region im Bereich der Scope-3-Treibhausgasmessung bei Finanzdienstleistern lag für ihn auf der Hand. Unter dem Namen PCAF DACHLi organisiert er gemeinsam mit PCAF einen Lernraum für alle Finanzdienstleister aus Österreich, Deutschland, der Schweiz und Liechtenstein, die den Standard anwenden wollen.

Henrik Ohlsen
Henrik Ohlsen
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