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Erstellt am 04.10.2022

Burnoutprävention: Bitte hinschauen!

Wenn das Feuer für die Arbeit immer mehr erlischt und die Erschöpfung nach und nach grösser wird, spricht man von Burnout. Wir reden mit ZHAW-Professorin Imke Knafla über das Ausgebranntsein. Ihr wichtigster Tipp zur Burnoutprävention: Hinschauen.

Der Job-Stress-Index von Gesundheitsförderung Schweiz bringt ans Licht, wie gestresst sich die Schweizer:innen bei der Arbeit fühlen: Gemäss der letzten Befragung, deren Resultate im August 2022 veröffentlicht worden sind, berichten fast 3 von 10 Erwerbstätigen, dass sie mit deutlich mehr Belastungen konfrontiert sind als sie mit ihren Ressourcen bewältigen können. Die Folge können Erschöpfungszustände sein, die die Leistung einschränken und zu einer zunehmend distanzierten Haltung zum Arbeitsplatz führen. Wir reden mit Imke Knafla, Professorin und Co-Leiterin Zentrum Klinische Psychologie & Psychotherapie an der ZHAW über das Ausgebranntsein durch die Arbeit.

Checkliste Burnout-Symptome: Woran erkennt man ein Burnout?

Gemäss WHO sind folgende drei Punkte charakteristisch für ein Burnout:

  • Ein Gefühl von Energieschwund und Erschöpfung
  • Eine zunehmende mentale Distanz zum Beruf und negative Haltung zum eigenen Job
  • Ein deutlich verringertes Leistungsvermögen im Beruf

Gemäss WHO ist Burnout ein Syndrom, das heisst eine Kombination verschiedener Symptome, aufgrund von «Stress am Arbeitsplatz, der nicht erfolgreich bewältigt werden kann».

Anzeichen für ein Burnout können folgende psychischen und/oder körperlichen Symptome sein:

  • Konzentrationsmangel
  • Erschöpfung
  • Schlafstörungen
  • Chronische Müdigkeit
  • Unfähigkeit, von der Arbeit abschalten zu können
  • Generelle Lustlosigkeit, auch gegenüber der Arbeit
  • Gereiztheit und Zynismus
  • Entscheidungsunfähigkeit
  • Distanzierung von der Arbeit
  • Muskelschmerzen
  • Erhöhte Anfälligkeit für Infekte, Kopf- und Rückenschmerzen, Schwindel, Herzrasen usw.
  • Magen-Darm-Beschwerden
  • Vernachlässigung von Freizeit und sozialen Kontakten

Wie definieren Sie Burnout?

Als einen Prozess, der zu Krankheit führen kann – wie zum Beispiel zu einer Depression oder zu einer körperlichen Erkrankung wie eines Bluthochdrucks. Burnout ist nach dem heutigen Stand der Forschung weder eine Krankheit noch eine Diagnose. Die Anzeichen, die in der Regel im Zusammenhang mit dem Burnout genannt werden, überschneiden sich zu stark mit beispielsweise denen einer Depression. Die Grundvoraussetzung für eine Krankheit ist, dass es Kriterien gibt, die sich klar abgrenzen lassen von anderen Erkrankungen. Daher hat die WHO Burnout nicht als Krankheit aufgenommen. Burnout kann also als ein Beschwerdebild gesehen werden, das sich bei zu langer Nichtbeachtung zu einer Krankheit entwickeln kann. Wobei ich es problematisch finde, die Ursache für die Krankheit allein auf eine zu hohe Arbeitsbelastung zu schieben. Dies greift zu kurz.

Warum?

Ob jemand aufgrund einer hohen Arbeitsbelastung krank wird oder nicht, hängt immer vom einzelnen Individuum ab. Oder anders gesagt: Wie wir Stress erleben, ist sehr subjektiv und hat zuweilen wenig zu tun mit der objektiven Arbeitsbelastung. Was für die einen zu viel ist, ist für die anderen vielleicht noch nicht genug. Manche freuen sich darauf, die Leitung eines Projekts zu übernehmen, andere scheuen sich vor der Verantwortung. Die einen sind sehr perfektionistisch veranlagt, andere sind schneller mit einem Ergebnis zufrieden. Zudem können auch Sorgen im Privatleben das Stressempfinden im Beruf beeinflussen. Im Zentrum stehen muss deshalb immer das Individuum und die Frage «Wie kann die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter mit einer Belastung umgehen?». Im Idealfall stehen dem Individuum genügend Ressourcen zur Verfügung, um die Herausforderung anzugehen. Das heisst, die Ressourcen und die Herausforderungen sollten in Balance sein.

Gibt es allgemeine Faktoren, die das Burnoutrisiko steigern oder senken?

Aus der Forschung wissen wir, dass beispielsweise Konflikte, ein hoher Termin- und Zeitdruck, die Arbeitsplatzunsicherheit aufgrund von Umstrukturierungen und Neuorganisationen oder auch ständige Arbeitsunterbrechungen belastend sein können. Positiven Einfluss hingegen haben Faktoren wie Handlungsspielraum, ganzheitliche Tätigkeiten, ein unterstützendes und wertschätzendes Verhalten von Führungskräften und dem Team, das Sich-zugehörig-Fühlen oder die Möglichkeit, seine Kompetenzen einbringen zu können.

Was können Unternehmen tun, um Burnoutfällen vorzubeugen?

Zum einen für eine Passung sorgen zwischen den Mitarbeitenden und ihren Aufgaben. Wenn Mitarbeitende ihre Stärken einbringen in einem Unternehmen, deren Werte zu den eigenen passen, erhöht sich das Wohlbefinden, was wiederum zu guter Leistung führt. Ein Beispiel: Introvertierte Mitarbeitende sind wohl im Verkauf nicht am richtigen Ort. Zum andern ist es wichtig, eine Kultur des Vertrauens zu etablieren. Die Mitarbeitenden dürfen keine Angst davor haben, ihre Situation mitzuteilen. Und dies führt vielleicht zu einem letzten Punkt, einer guten Führung.

Wie zeigt sich eine gute Führung im Hinblick auf die Burnoutprävention?

In einem echten Interesse für seine Mitarbeiteriter:innen. Wenn ich als Führungskraft die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitarbeitenden kenne, kann ich sie passend einsetzen. Und es braucht allem voran eine Kultur des Hinschauens. Nur so merkt man es, wenn etwas harzig läuft, jemand sehr müde ist, sich Fehler einschleichen, sich negative Feedbacks häufen oder sich Mitarbeitende sozial zurückziehen und nicht mehr in die Pause gehen. Burnout ist wie erwähnt ein Prozess – und ein Teufelskreis: Der Mitarbeitende ist ausgebrannt, macht Fehler und arbeitet noch mehr, um seine Probleme in den Griff zu kriegen, anstatt das Gegenteil zu machen und Stopp zu sagen. Je besser man als Führungskraft hinschaut, desto früher kann man den Prozess stoppen und den Teufelskreis unterbrechen.

Und was kann ich als Mitarbeiter:in selbst tun, um mich vor einem Burnout zu schützen?

Für die Mitarbeiter:innen ist es wichtig, dass sie sich selbst gut kennen, dass sie zum Beispiel wissen, welche Werte ihnen wichtig sind, wofür sie selbst motiviert sind und welche Aufgaben bei ihnen spontanes Interesse auslösen. Auch sie tragen gegenüber sich selbst die Verantwortung, hinzuschauen und auf sich zu achten. Wenn ich merke, dass ich mich einer persönlichen Grenze nähere, ist es auch an mir zu überlegen, wo ich allenfalls Handlungsspielraum habe, um etwas zu ändern oder mit wem ich reden kann und bei wem ich Unterstützung erhalte. Als besonders wertvoll erweisen sich Angebote für Mitarbeitende, über die sie niederschwelligen Zugang zu psychologischer Beratung erhalten.

Wir leben in einer schnellen, technologischen Welt: Inwiefern hat dies Einfluss auf das Ausgebranntsein?

Als Folge der Digitalisierung verändert sich die Arbeitswelt. Mit den neuen Arbeitsprozessen und neuen Formen der Zusammenarbeit verändern sich auch die Anforderungen an Arbeitnehmende. Hier ist es ähnlich wie beim Stress: Die einen erleben diese Veränderung positiv, weil sie vielleicht weniger reisen müssen, flexibler sind, eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben haben oder sich sogar besser zurückziehen können, wenn es einen Konflikt am Arbeitsplatz gibt. Die anderen empfinden die neue Arbeitswelt schwieriger, weil sie sich schlechter abgrenzen können. Was es heute auf jeden Fall braucht, ist mehr Selbstführung. Sich selbst Prioritäten zu setzen und dafür zu sorgen, dass man nicht abgelenkt ist und der Fokus auf seine Aufgaben gerichtet bleibt – das wird immer wichtiger.

About

Imke Knafla

Prof. Dr. Imke Knafla ist Co-Leiterin des Zentrums Klinische Psychologie & Psychotherapie am IAP Institut für Angewandte Psychologie der ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften. Die eidgenössisch anerkannte Psychotherapeutin, Coach & Supervisorin leitet die Psychologische Beratungsstelle der ZHAW.

Wissen zum Thema Burnout

Wie entsteht Burnout und wie kann es behandelt werden?

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